Wächterhäuser an der Semmeringbahn
- Lebensraum und Landschaft
Abstract
Thema In den Jahren 1848-1854 wurde unter der Leitung von Carl Ritter von Ghega die 42 km lange Bahn über den Semmering als erste Hochgebirgsbahn der Welt errichtet. Diese Pionierleistung schloss eine Lücke im Baltisch-Adriatischen Korridor. Wien, die Hauptstadt der Donaumonarchie wurde per Bahn an die Häfen der oberen Adria angebunden. Die Semmeringbahn ist durch 55 Wächterhäuser, die kontinuierlich entlang der Bahntrasse positioniert sind, charakterisiert. Davon sind heute noch 50 Häuser erhalten. In einem Forschungsprojekt am Institut für Landschaftsarchitektur der Universität für Bodenkultur Wien werden derzeit der historische und der aktuelle Bestand dieser Wächterhäuser typologisch untersucht. Forschungsfragen Nach welchen funktionalen Kriterien wurden die Wächterhäuser entlang der Bahnstrecke positioniert? Wie reagiert der stets gleiche Haustyp auf unterschiedliche Situationen in der Landschaft? Welche Auswirkung hat die Funktion der Bahn auf die Gestalt der Wächterhäuser? Methodik Aufnahmen und Untersuchungen vor Ort sowie Recherchen im Österreichischen Staatsarchiv und in den Archiven der Österreichischen Bundesbahn stellen das Datenmaterial für die Bearbeitung des Projektes dar. Alle Häuser wurden im Maßstab 1:200 in Grundrissen und Ansichten gezeichnet. Im selben Maßstab wurde die Beziehung der Häuser zur Landschaft mit ausgedehnten Geländeschnitten dargestellt. In grafischen Darstellungen werden Qualität und Potenzial des Haustyps untersucht. Ergebnisse Der Architekt Moritz von Löhr wurde 1848 mit der „Behandlung der Hochbauangelegenheiten des gesamten staatlichen Eisenbahnnetzes“ betraut. Hochbauten im Zusammenhang mit dem Eisenbahnbau sind neue Bauaufgaben dieser Zeit und können nicht auf Gestaltungstraditionen zurückgreifen. Für die Wächterhäuser an der Semmeringbahn entwickelte von Löhr einen Haustyp in zwei Varianten. Das einfache zweigeschoßige Haus mit Satteldach ist in der einen Variante zur Hälfte, und in der anderen zur Gänze unterkelltert. Durch die Nutzung der Topografie wird in der zweiten Variante ein ebenerdiger Eingang im Kellergeschoß möglich. Dadurch bekommt die Stiege im Grundriss eine andere Position. Die Häuser sind von schmuckloser Gestalt geprägt, die weder Anleihen an die Industriearchitektur des 19. Jahrhunderts nimmt, noch auf andere architektonische Vorbilder verweist. Die einfachen Lochfassaden sind im Kontext der technischen-Bauaufgabe-Eisenbahn zu sehen und kündigen die Gestaltungsideale des Funktionalismus an. Der Abstand zwischen den einzelnen Häusern beträgt durchschnittlich ca. 650 m. Das Infrastrukturbauwerk-Bahn konnte von den Wächterhäusern aus lückenlos überwacht werden. Viele der Häuser hatten unmittelbare Blickbeziehung zueinander, die heute durch Aufforstungen nur noch teilweise bestehen. Dieses stets gleiche Haus wurde 55 mal in unterschiedlichem Kontext errichtet. Mit kleinen Anpassungen wird auf unterschiedliche Situationen reagiert und die Flexibilität des Haustyps unter Beweis gestellt. Für die Orientierung und Ausrichtung der Häuser war die Funktion der Überwachung der Bahn maßgebend. Landschaftliche Qualitäten, die Orientierung zur Sonne und die Anbindung an bestehende Siedlungsstrukturen hatten untergeordnete Bedeutung. Drei Fensterachsen sind der Bahn zugeordnet, das Stiegenhausfenster an der gegenüberliegenden Fassade ist häufig das einzige Fenster, das den Blick Richtung Süden in die Landschaft ermöglicht. Die Konzentration und der Fokus des Gebäudes sind auf die Bahn gerichtet. Schlussfolgerungen Dem Eisenbahnbetrieb wurden die Hochbauten untergeordnet. Die maximale Steigung der Trasse von 25‰ und der minimale Kurvenradius vom 190 m sind jene Parameter, mit denen sich das Ingenieurbauwerk an der Landschaft misst. Der Bahntrasse folgend wurden die Bauplätze der Wächterhäuser ermittelt. Die Funktionen der Bahn bestimmten Zweck und Gestalt der Wächterhäuser.
Publikationen
Die Wächterhäuser an der Semmeringbahn
Autoren: Tusch, Roland Jahr: 2012
Populärwissenschaftlicher Beitrag
Externe Links und Eigenschaften der Publikation:
Mitarbeiter*innen
Roland Tusch
Dipl.-Ing.Dr. Roland Tusch
roland.tusch@boku.ac.at
Tel: +43 1 47654-85201, 85219
Projektleiter*in
08.08.2011 - 05.06.2012
BOKU Partner
Externe Partner
ÖBB-Infrastruktur Bau AG
Dr. Günter Dinhobl
Partner
Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
Dr. Bruno Maldoner
Partner